Wahlprüfsteine | 09/2021
Parteien beantworten unsere Fragen zur Bundestagswahl 2021
Wie stehen die Parteien zum Demokratiefördergesetz? Planen sie eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts, um Vereinen auch für politische Arbeit Rechtssicherheit zu geben? Und wie wollen sie Menschen schützen, die auf rechten „Feindeslisten“ stehen? Der Bundesverband Mobile Beratung (BMB) hat dazu Wahlprüfsteine an die im Bundestag vertretenen demokratischen Parteien Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU, Die Linke, FDP und SPD geschickt. Die Antworten finden Sie nachfolgend in ungekürzter und unredigierter Fassung, sortiert nach Themen.
Der BMB selbst fordert zur Bundestagswahl: Die künftige Bundesregierung muss schnellstmöglich nach der Wahl ein Demokratiefördergesetz auf den Weg bringen. Dabei sollte sie jedoch auf das verzichten, was die Große Koalition zuletzt angekündigt hat: eine Neuauflage der sogenannten Extremismusklausel. Denn die Klausel stellt Demokratieprojekte unter Generalverdacht. Zudem muss die neue Bundesregierung weitere Maßnahmen ergreifen, um zivilgesellschaftliche Akteur*innen zu stärken.
Die Antworten der einzelnen Parteien finden Sie hier: Bündnis 90/Die Grünen, CDU/CSU, Die Linke, FDP, SPD
Die Antworten nach Themen
Da sich Bündnis 90/Die Grünen, Die Linke und SPD in ihren Wahlprogrammen für ein Demokratiefördergesetz aussprechen, wurde die Frage jeweils wie folgt angepasst: In Ihrem Programm machen Sie sich für ein Demokratiefördergesetz stark. Welche Beratungs-, Präventions- und Interventionsansätze sollen durch ein solches Gesetz gefördert werden? Planen Sie, die Mobile Beratung und ihren Dachverband im Rahmen des Gesetzes zu fördern?
Bündnis 90/Die Grünen: „Ja. Eine lebendige Zivilgesellschaft ist elementar für die politische Auseinandersetzung in unserer Demokratie. Engagierte Menschen in Initiativen, Verbänden oder NGOs stärken den Zusammenhalt, tragen dazu bei, wichtige Anliegen, wie den Kampf gegen Rassismus, auf die öffentliche Tagesordnung zu setzen. Dazu zählen selbstverständlich die Mobile Beratung und ihr Dachverband. Mit einem Demokratiefördergesetz wollen wir GRÜNE ihr Engagement und das weiterer demokratiebelebender Initiativen und Organisationen nachhaltig, projektunabhängig und unbürokratisch finanziell absichern.“
CDU/CSU: „Ein Demokratiefördergesetz würde das Budgetrecht des Deutschen Bundestages beträchtlich einschränken. Das Parlament muss sich die Entscheidung vorbehalten, im Einzelfall bestimmte Maßnahmen fördern oder auch nicht fördern zu können. In der kommenden Legislaturperiode wollen CDU und CSU zur Stärkung der Demokratie eine Reihe von Maßnahmen umsetzen. So werden wir die politische Bildung in allen Jahrgangsstufen der allgemeinbildenden und beruflichen Schulen stärken. Dem Deutschen Bundestag sollen künftig regelmäßig Extremismus-Berichte der Bundesregierung vorgelegt werden, die gesamtgesellschaftliche Entwicklungen mit Blick auf Demokratiefeindlichkeit, Antisemitismus und Rassismus ausleuchten. Bürgerschaftliches, freiwilliges und ehrenamtliches Engagement gehört zu den zentralen Elementen einer lebendigen Demokratie. Es ist eine der wesentlichen Grundlagen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Wir wollen die Attraktivität der Freiwilligendienste – etwa durch die Anpassung des Taschengelds, eine breite Angebotsauswahl und eine hohe Qualität der Angebote – weiter steigern und einen Rechtsanspruch einführen. Über die Möglichkeiten der Freiwilligendienste soll vermehrt schon in den Schulen informiert werden.“
Die Linke: „Ja. Die Mobile Beratung gehört aus Sicht der LINKEN zu den zentralen Akteuren im Rahmen der Demokratieprojekte und muss mit Hilfe eines solchen Gesetzes dauerhaft abgesichert werden. Ebenso müssen die Projekte der Opferberatung aber auch andere Träger der erfolgreichen Demokratieprojekte aus der jahrzehntelangen Projektförderung raus und endlich langfristig gesichert werden. Der Dachverband der Mobilen Beratung sollte aus Sicht der LINKEN ebenso über ein solches Gesetz gefördert werden, wie auch andere Dachverbände (z.B. Opferberatungsprojekte), die die Arbeit der Projekte nach außen begleiten, Qualitätsstandards festlegen und den Projekten eine wahrnehmbare Stimme geben.“
FDP: „Unsere Demokratie und unsere Freiheit sind bedroht durch Extremismus, durch Populismus und durch Gleichgültigkeit. Für uns Freie Demokraten ist es eine Kernaufgabe, die liberale Demokratie mit Leben zu erfüllen, sie fortzuentwickeln und zu verteidigen. In diesem Zusammenhang fordern wir, dass der Bund die Präventionsarbeit und funktionierende Aussteigerprogramme zu unterschiedlichen Extremismusformen auf eine verlässliche finanzielle Grundlage stellt.“
SPD: „Wir erfreuen uns in Deutschland einer breit ausdifferenzierten, im Kampf für Demokratie und gegen Rechtsextremismus engagierten Zivilgesellschaft, die es zu fördern und zu stärken gilt. Die Mobilen Beratungsteams leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Stärkung unseres gesellschaftlichen Zusammenhalts. Und vor allem: Sie unterschützen und befähigen immer mehr Demokrat*innen im Kampf gegen Menschenfeindlichkeit. Sie stärken Lokalpolitikern und aktiven Demokraten, aber auch Betroffenen von rassistischer Gewalt, vor Ort den Rücken und stehen ihnen zur Seite. Für diese Arbeit gilt ihnen unser ausdrücklicher Dank. Weil wir den Schutz von und die Hilfe für Opfer von Hass und Hetze stärken wollen, werden wir die bisher vor allem projektgebundene Arbeit auch hinsichtlich entstandener Strukturen fördern. Davon sollen Dachverbände profitieren können. Auch das ist ein Grund, warum wir auf Bundesebene mit dem Demokratiefördergesetz einen neuen Weg der Unterstützung gehen wollen: eine dauerhafte Finanzierung für Langfristprojekte, einen Projektetopf für Einzelprojekte und eine Möglichkeit, entstandene oder entstehende Strukturen zu fördern.“
Bündnis 90/Die Grünen: „Ja. Bei der Ausgestaltung des Demokratiefördergesetzes sowie der weiteren Strukturierung, Schwerpunktsetzung und Evaluation der Förderung werden wir die Expertise und das Erfahrungswissen der fachkundigen Zivilgesellschaft systematisch einbeziehen und durch regelhafte Abläufe gewährleisten, dass ihre Impulse im Sinne der Qualitätsentwicklung und Praxisorientierung Berücksichtigung finden. Zu diesem Zweck schaffen wir GRÜNE ein Forum für einen transparenten Konsultationsprozess mit der Zivilgesellschaft. Dabei werden wir dafür sorgen, dass in einem solchen Forum auch Vertreter*innen von Migrant*innenorganisationen und Organisationen weiterer von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit besonders bedrohter Bevölkerungsgruppen, bundesweit arbeitender Träger der Demokratieentwicklung und Engagement Förderung, der bei „Demokratie leben!“ geförderten Kompetenznetzwerke und – zentren sowie der Bundesverbände der Opferberatungsstellen (VBRG) und der Mobilen Beratungen (BMB) dauerhaft einbezogen werden.“
CDU/CSU: siehe oben („Die Fragen 1 und 2 werden aufgrund des inhaltlichen Zusammenhangs gemeinsam beantwortet.“)
Die Linke: „Ja. Nachdem die Verabschiedung des Gesetzes an der Union gescheitert ist, muss in der nächsten Wahlperiode ein neuer Anlauf genommen werden. DIE LINKE will dazu vor der Ausformulierung eines Gesetzesentwurfs mit den Träger*innen der Projekte und Fachleuten unterschiedlicher Fachrichtungen ins Gespräch kommen. Der parlamentarische Prozess soll von den Betroffenen aber auch Expertinnen und Experten begleitet werden, um zu einem praxisnahen Ergebnis zu kommen.“
FDP: „Wir Freie Demokraten bekennen uns zur repräsentativen Demokratie. Die zentralen Orte der Diskussion und Entscheidung sind unsere Parlamente. Auch die repräsentative Demokratie gewinnt aber durch neue Instrumente der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger außerhalb von Wahlen. Entscheidender Adressat und Auftraggeber für mehr Bürgerbeteiligung sind für uns daher die Parlamente, etwa durch die Möglichkeit der Bürgerberatung durch Hausparlamente, die Erweiterung des Petitionsrechts um das „Bürgerplenarverfahren“ oder durch per Zufallsauswahl besetzte Bürgerräte. Stets muss dabei unmissverständlich klargestellt sein, dass nur das Parlament legitimierte Entscheidungen trifft, der Beratungsauftrag klar eingegrenzt und die Erwartungen klar definiert sind. Der Deutsche Bundestag sollte zudem auf Open-Source-Basis eine digitale Plattform mit einer Vorhabenliste einrichten, die staatliche Behörden und Einrichtungen verpflichtet, ihre Pläne und Abwägungen künftig im Sinne echter Informationsfreiheit zu dokumentieren sowie der öffentlichen Kommentierung zugänglich zu machen. Zu einer verantwortungsvollen Gesetzgebung gehört es auch, dass Verbänden in der Entwurfsphase die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben wird. Ein Dialog mit den betroffenen Verbänden kann zudem dabei helfen, dass die praktischen Probleme der späteren Umsetzung berücksichtigt werden.“
SPD: „Wir schätzen die Expertise der MBR außerordentlich. Sie sind für uns unentbehrlich für ein wirksames Demokratiefördergesetz. Selbstverständlich werden wir in der kommenden Legislaturperiode wichtige zivilgesellschaftliche Akteure – wie sie die MBR unzweifelhaft sind (noch besser als in der Vergangenheit) im Gesetzgebungsverfahren einbinden.“
Da CDU/CSU und FDP in ihren Wahlprogrammen implizit auf eine „Extremismusklausel“ eingehen, wurde die Frage wie folgt angepasst:
CDU/CSU: In Ihrem Programm schreiben Sie, dass Empfänger von Fördergeldern „sich klar und ausdrücklich zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekennen (müssen)“. Dass dies ausgerechnet für Demokratieprojekte verpflichtend sein soll, empfinden die Projekte als unangemessen. Was sagen Sie dazu?
FDP: Zur „wehrhaften Demokratie“ schreiben Sie, der Staat müsse sicherstellen, dass Empfänger staatlicher Förderung „auf dem Boden der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen“. Dass dies ausgerechnet für Demokratieprojekte gelten soll, empfinden die Projekte als unangemessen. Was sagen Sie dazu?
Bündnis 90/Die Grünen: „Es ist absurd, ausgerechnet Initiativen und Projekten, die sich tagtäglich für die Demokratie einsetzen, ein spezielles Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung abzuverlangen. Eine solche Klausel bedeutet eine ständige Misstrauenserklärung. Wir GRÜNE haben uns immer gegen die diskriminierende frühere „Extremismusklausel“ eingesetzt und lehnen sie auch für die Zukunft klar ab. Eine solche Klausel hat in einem Demokratiefördergesetz keinen Platz.“
CDU/CSU: „CDU und CSU ist es wichtig, dass die staatliche Förderung zur Wahrung und Stärkung der wehrhaften Demokratie auf einem gemeinsamen Verständnis über die Ziele dieser Förderung beruht. Die von uns geforderte Demokratieklausel ist Ausdruck dieser Absicht.“
Die Linke: „Mit der LINKEN wird es keine „Extremismusklausel“ und keine Unkultur des Verdachts gegen die Demokratieprojekte geben. Zurecht haben sich die Projekte immer gegen die „Extremismusklausel“ zur Wehr gesetzt und DIE LINKE hat sie dabei nach Kräften unterstützt. Aus Sicht der LINKEN bilden der positive Bezug auf zentrale Werte der Verfassung, wie Menschenwürde, Demokratiegrundsatz, Gleichheit vor dem Gesetzt Gewähr für demokratische Zuverlässigkeit – und keine Schablonen der Extremismustheorie. In diesem Sinne sind die Demokratieprojekte über jeden Zweifel erhaben.“
FDP: „Wie Sie zurecht anmerken, ist es eine Selbstverständlichkeit, dass Projekte, welche die Demokratie fördern, einschließlich ihrer Projektpartner auf Basis der freiheitlich-demokratischen Grundordnung stehen. Alles andere wäre ein Widerspruch in sich. Sollten staatliche Stellen aber dennoch feststellen, dass dies bei einzelnen Zuwendungsempfängern nicht der Fall ist, zum Beispiel. wenn sie oder ihre Projektpartner sich verändert haben, ist es genauso selbstverständlich, dass die Förderung anderen Projekten zugutekommen sollte, um ihr Ziel – die Förderung unserer Demokratie und die Bekämpfung von Rassismus und kollektiver Menschenfeindlichkeit – nicht zu verfehlen.“
SPD: „Es ist absurd, denjenigen, die sich mitunter einer auch gefährlichen Arbeit für unsere Demokratie und gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit widmen, ein besonderes, verpflichtendes Bekenntnis zu unserer freiheitlichen demokratischen Grundordnung abzuverlangen. Gegen diese Form des Misstrauens haben wir uns in der
Vergangenheit verweigert. Das werden wir auch weiterhin tun.“
Da sich Bündnis 90/Die Grünen und Die Linke in ihren Wahlprogrammen für eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts aussprechen, wurde die Frage jeweils wie folgt angepasst: In Ihrem Programm schreiben Sie, dass Sie das Gemeinnützigkeitsrecht reformieren möchten. Wie soll diese Reform konkret aussehen und wird sie zivilgesellschaftlichen Vereinen auch für politische Arbeit und gesellschaftspolitisches Engagement Rechtssicherheit geben?
Bündnis 90/Die Grünen: „Derzeit ist der gleichberechtigte Einfluss aller Bürger*innen auf die Willensbildung in unserer Gesellschaft nicht sichergestellt. Durch die aktuelle Rechtsprechung zur Gemeinnützigkeit ist eine massive Verunsicherung entstanden. Mit einer Reform schaffen wir Rechtsicherheit und einen klaren Rahmen für politische Betätigungen durch gemeinnützige Organisationen. Wir GRÜNEN setzen und dafür ein, dass die selbstlose Einflussnahme auf die politische Willensbildung zu gemeinnützigen Zwecken erfolgen und durch Aktivitäten wie Studien oder Demonstrationen unterstützt werden darf. Nicht nur die Förderung des demokratischen Staatswesens, sondern auch die Förderung tragender Grundsätze sollte klar gemeinnützig sein. Durch eine Demokratie-Klausel ermöglichen wir Vereinen, sich aktiv an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen. Im Gegenzug sorgen wir mit einem Gemeinnützigkeitsregister, einfach handhabbaren Transparenzpflichten sowie Regeln zur Offenlegung der Spendenstruktur für mehr Transparenz.“
CDU/CSU: „CDU und CSU ist es wichtig, demokratisches Engagement in der Zivilgesellschaft zu unterstützen und das Ehrenamt zu fördern. Wir wollen die Attraktivität der Freiwilligendienste – etwa durch die Anpassung des Taschengelds, eine breite Angebotsauswahl und eine hohe Qualität der Angebote – weiter steigern und einen Rechtsanspruch einführen. Über die Möglichkeiten der Freiwilligendienste soll vermehrt schon in den Schulen informiert werden. Vorhaben, die das Ehrenamt unterstützen und auch in strukturschwachen und ländlichen Regionen von besonderer Bedeutung sind, werden wir fördern. Auch werden wir die konkreten Bedingungen für Ausgründungen verbessern: Mit einem Innovationsfreiheitsgesetz wollen wir für Gründerinnen und Gründer aus Wissenschaftseinrichtungen und Hochschulen bürokratische Hürden abbauen, vor allem im Beihilfe- und Gemeinnützigkeitsrecht. Unterstützungsleistungen in der Phase vor der Gründung könnten so gemeinnützig durchgeführt werden, darunter Beratungsleistungen, Nutzung der Infrastruktur und die Erstellung von Machbarkeitsnachweisen.“
Die Linke: „Wir brauchen eine Reform des Gemeinnützigkeitsrechts mit einer Ausweitung der als gemeinnützig anerkannten Zwecke (zum Beispiel die Förderung der Menschen- und Grundrechte, des Friedens, des Klimaschutzes oder der sozialen Gerechtigkeit). Die Mitwirkung an der politischen Willensbildung muss ausdrücklich als unschädlich für die Gemeinnützigkeit benannt werden, ob zur Verfolgung eigener Zwecke oder darüber hinaus für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte. Dabei ist zu beachten, dass es nicht zu einer verdeckten Parteienfinanzierung kommt und die Grenzen zur Parteienfinanzierung gewahrt sind. Auch darf die Erwähnung eines Vereins in einem Verfassungsschutzbericht des Bundes oder der Länder nicht mehr automatisch zur Aberkennung der Gemeinnützigkeit führen, wie es zuletzt im Fall der VVN / BdA passiert ist.“
FDP: „Wir Freie Demokraten wollen einen EU-Raum für Gemeinnützigkeit. Denn wir befürworten und unterstützen Initiativen aus der Mitte der Gesellschaft, die das Gemeinwohl fördern. Gemeinnützige Vereine und Stiftungen schaffen in Europa Raum für zivilgesellschaftliches Wirken – so engagieren sich in der EU ca. 147.000 philanthropische Organisationen mit fast 60 Milliarden Euro im Jahr. Doch dabei stoßen sie auf vielfältige Hindernisse: etwa sind die Anerkennung des Gemeinnützigkeitsstatus, das Spenden sowie Kooperationen noch immer problematisch, wenn sie grenzüberschreitend erfolgen. Auch sind häufig Stiftungen aus anderen Mitgliedstaaten den inländischen nicht gleichgestellt. Dadurch entstehen jährlich Kosten von über 90 Millionen Euro. Wir wollen daher einen EU-Raum für Gemeinnützigkeit schaffen, der diese Hürden beseitigt. Zudem fordern wir die Schaffung einer neuen europäischen Rechtspersönlichkeit für gemeinnütziges Wirken als zusätzliche Option zum nationalen Vereins- und Stiftungsrecht.“
SPD: „Zu einer lebendigen Demokratie gehört eine starke Zivilgesellschaft und ein zeitgemäßes Gemeinnützigkeitsrecht. Daher werden wir prüfen, welche weiteren gesellschaftspolitisch bedeutsamen Bereiche in den Katalog gemeinnütziger Zwecke aufgenommen werden können und sicherstellen, dass steuerbegünstigte Körperschaften wie Vereine bei der Verfolgung ihrer satzungsmäßigen Zwecke auch politisch tätig sein können und z.B. der Aufruf eines Sportvereins zu einer Demonstration gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit möglich ist, ohne diese steuerliche Vergünstigung zu verlieren.“
Bündnis 90/Die Grünen: „Die zehntausenden Menschen, die auf rechten „Feindeslisten“ als potentielle Anschlagsopfer aufgeführt werden, darunter viele Kommunalpolitiker*innen und ehrenamtlich Engagierte, brauchen sehr dringend einheitliche und klare Informations- und Unterstützungsangebote. Der Bund muss hier eine koordinierende Funktion einnehmen und zentralisierte Informationsmöglichkeiten und vor allem einen erleichterten Zugang zu Beratungs- und Hilfsangeboten angehen. Darüber hinaus muss die Bekämpfung rechtsextremistischer Strukturen – auch innerhalb der Sicherheitsbehörden – endlich zur Priorität erklärt werden, um Menschen effektiv vor Rechtsextremisten zu schützen. Z.B. muss das Waffenrecht endlich verschärft, Hass und Hetze im Netz effektiv und rechtstaatlich entgegentreten, Hassgewalt konsequent erfasst und verfolgt, das Vollstreckungsdefizit bei Haftbefehlen gegen Rechtsextreme endlich angegangen und die Analysefähigkeit der Sicherheitsbehörden dringend erhöht werden.“
CDU/CSU: „Dort, wo in unserer Gesellschaft Abschottung und Intoleranz um sich greifen, entsteht der Nährboden für Radikalisierungen. Vorbeugende Maßnahmen müssen daher möglichst früh und im unmittelbaren persönlichen Umfeld ansetzen. CDU und CSU wollen mit gezielter Bildungsarbeit darauf hinwirken, dass jede und jeder problematische Entwicklungen im persönlichen Umfeld frühzeitig erkennen und rechtzeitig reagieren kann. Insbesondere Schulen und Vereine wie auch soziale Netzwerke spielen dabei eine bedeutende Rolle. Soziale Netzwerke in den Fokus zu nehmen, gehört daher zu den zentralen Aufgaben des Verfassungsschutzes, gerade mit Blick auf selbstradikalisierte Einzeltäter. Jede Form einer Schwächung des Verfassungsschutzes lehnen wir daher ab. Wir werden Extremismus und Rassismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen.“
Die Linke: „Die Information der betroffenen Menschen steht für DIE LINKE an erster Stelle. Es kann nicht der sehr unterschiedlichen Bewertung einzelner Polizeibehörden überlassen bleiben, ob Menschen, die auf solchen Listen stehen, darüber informiert werden. Wir wollen, dass in Absprache mit den Bundesländern alle Betroffenen umfassend informiert werden. Auskunftssperren im Bundesmeldegesetz müssen verbessert werden, um potenziell Betroffene vor der Erfassung in solchen Listen besser zu schützen. Zudem fordern wir, organisatorische Zusammenschlüsse, in denen mit Versatzstücken extrem rechter Ideologie agiert wird, Waffen gesammelt und so genannte „Feindlisten“ angelegt werden, als organisatorische Kerne eines potenziellen Terrors von rechts ernst zu nehmen.“
FDP: „Der Deutsche Bundestag hat im Juni 2021 ein Gesetz zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes gegen sogenannte Feindeslisten beschlossen. Die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag hat die Intention des Gesetzes unterstützt, hätte es aber bevorzugt, die Durchsetzung des bestehenden Rechts in den Fokus zu rücken (vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches“ BT-Drs.-19/28777). Mit § 42 BDSG existiert im Nebenstrafrecht eine Norm, die die Veröffentlichung von nicht öffentlich zugänglichen Daten unter Strafe stellt. Durch eine Übertragung der Vorschrift in das Kernstrafrecht würde die Norm stärker in den Fokus der Strafverfolgungsbehörden rücken und dadurch dem Schutz personenbezogener Daten generell Rechnung tragen. Darüber hinaus hat die Bundestagsfraktion der Freien Demokraten die Einrichtung von Ombudsstellen gefordert, an die sich Personen, die Opfer von Hass und Gewalt werden, wenden können. Aber auch, um zu erfahren, ob sie auf einer „Feindesliste“ stehen, denn häufig sind die genannten Personen nicht von staatlichen Stellen darüber informiert worden. Darüber hinaus wollen wir es Kandidateninnen und Kandidaten sowie Mandatsträgerinnen und Mandatsträgern sowie ihren Angehörigen erleichtern, eine Auskunftssperre im Melderegister zu erwirken (vgl. „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Bundesmeldegesetzes –„BT-Drs.-19/17252). Uns Freie Demokraten ist es ganz grundsätzlich wichtig, der Bekämpfung von Gewalt im Internet Priorität einzuräumen. Ergänzend zu spezialisierten Kräften in Polizei und Justiz sowie Schwerpunktstaatsanwaltschaften sollen in allen Bundesländern elektronische Verfahren zur Stellung von Strafanzeigen, die auch anonyme Anzeigen sowie Anzeigen von Nichtregierungsorganisationen zulassen, eingeführt werden und über Zentralstellen laufen. Wir wollen auch die Opfer von Gewalt im Internet und von Hasskriminalität in die Lage versetzen, sich selbst zu wehren, indem sie einen Auskunftsanspruch gegen Plattformen und Internetprovider erhalten.“
SPD: „Damit Kommunalpolitiker*innen oder andere Menschen, die sich für eine vielfältige Gesellschaft und gegen Menschenverachtung einsetzen, besser vor Einschüchterungsversuchen geschützt werden, stellen wir die Verbreitung von sogenannten „Feindeslisten“ ausdrücklich unter Strafe. Nach bisheriger Rechtslage ist es nicht strafbar, wenn extremistische Gruppierungen sogenannte Feindes- oder Todeslisten verteilen und so Bürger:innen einschüchtern. Zukünftig macht sich strafbar, wer Listen veröffentlicht, die geeignet und bestimmt sind, Bürger:innen Gefahren auszusetzen. Damit setzen wir das klare Signal eines wehrhaften Rechtsstaates, der gegen Rechtsextremisten vorgeht. Aber wir wissen, dass wir mit dem Stafrecht in der Regel zu spät kommen: Es gibt Täter, es gibt Opfer. Deshalb ist es eine fortwährende Aufgabe, Hass und Hetze schon im Keim Paraoli zu bieten.“