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Pressemitteilung | 06/2020

Innenministerkonferenz muss Betroffene von Verschwörungsideologien besser schützen

Bundesverband Mobile Beratung, RIAS, VBRG

Berlin, 17. Juni 2020

Von Mittwoch an findet in Erfurt die 212. Sitzung der Innenministerkonferenz statt. Diese tagt in einer gesellschaftlichen Situation, in der eine von Antisemitismus, Rassismus und Rechtsextremismus geleitete Protestbewegung die staatlichen Maßnahmen gegen die Coronapandemie zum Ausgangspunkt für antisemitische Verschwörungsmythen sowie rassistische Hetze und Gewalt nimmt, warnen Vertreter*innen des Bundesverbandes Mobile Beratung (BMB), des Verbandes der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) sowie des Bundesverbands der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Bundesverband RIAS).

Bundesweit finden seit Anfang April Demonstrationen und Kundgebungen gegen die politischen Maßnahmen zur Eindämmung der Coronapandemie statt. Auch wenn die Beteiligung an diesen Versammlungen zuletzt rückläufig war, bleiben sie gefährlich: Unter dem Deckmantel der Kritik an pandemiebedingten Einschränkungen von Grund- und Freiheitsrechten werden extrem rechte Verschwörungsmythen sowie antisemitische, antidemokratische und rassistische Botschaften verbreitet. „Alleine zwischen Februar und April haben die Opferberatungsstellen mehr als 100 Vorfälle von sogenanntem Corona-Rassismus registriert – darunter Gewalttaten gegen Menschen im Wohnumfeld, beim Einkaufen oder am Rand der sogenannten Corona-Proteste und massive Bedrohungen von sogenannten politischen Gegner*innen und Journalist*innen“, sagt Kai Stoltmann vom VBRG. Die Expert*innen der Mobilen Beratungsteams beraten zum Umgang mit Verschwörungsmythen und analysieren die Entwicklungen der extremen Rechten und der rechtsoffenen Versammlungen im Kontext der Corona-Pandemie.

„Antidemokratische und antisemitische Narrative, verkleidet als legitimer Protest, werden auch in der sogenannten Mitte der Gesellschaft vertreten – das erinnert an die als ‚Sorgen und Ängste‘ getarnten antidemokratischen, autoritären und rassistischen Einstellungsmuster während der Mobilisierungen gegen Geflüchtete ab 2015“, warnt Bianca Klose vom Vorstand des BMB. „Die Innenministerkonferenz sollte nicht die Fehler von damals wiederholen und sich denen zuwenden, die am Lautesten schreien – sondern jene schützen, die von Antidemokraten als Feinde markiert werden und von Abwertung, Hetze und Verschwörungsmythen betroffen sind.“

Antisemitische Stereotype bei den Demonstrationen beobachten auch die Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus: „Die im Rahmen der Proteste verbreiteten Verschwörungsmythen sind anschlussfähig an offenen Antisemitismus und gehen in zahlreichen beobachteten Versammlungen einher mit der antisemitischen Relativierung der Schoa in Form einer Selbstviktimisierung“, sagt Benjamin Steinitz, Geschäftsführer des Bundesverbands RIAS. Nicht nur auf der Straße, sondern auch online sei zudem eine immer offenere Verknüpfung von Verschwörungsmythen und Antisemitismus bis hin zur Schoa-Relativierung zu beobachten, die mit konkreten Bedrohungen gegen Jüdinnen*Juden vor Ort einhergingen. „Zudem berichten uns Betroffene aus unterschiedlichen Bundesländern, dass sie in Alltagssituation wie beim Spazierengehen mit dem Hund für die Corona-Pandemie verantwortlich gemacht und beschimpft worden seien“, so Steinitz.

„Insbesondere in Ostdeutschland beobachten wir, dass extreme Rechte, Neonazis und AfD-Funktionäre – wie schon bei den rassistischen Mobilisierungen gegen Geflüchtete in 2015 – auch bei den sogenannten ‚Corona-Protesten‘ den Kern der Organisator*innen darstellen“, sagt Kai Stoltmann vom VBRG. Der offene Rechtsextremismus zeige sich nicht zuletzt auch in der Verbreitung von sogenannten Feindeslisten durch Telegram-Gruppe von Widerstand 2020: „Hier wurden 25.000 Adressen von angeblichen politischen Gegner*innen geteilt, die auf diese Weise schon in den vergangenen Jahren mehrfach von extremen Rechten bedroht wurden“, so Stoltmann. „Umso notwendiger ist es, dass die Innenministerkonferenz endlich effektive Maßnahmen für einen verbesserten Schutz der Betroffenen von Feindeslisten beschließt – das machen nicht zuletzt auch der Mord an Walter Lübcke und der Nordkreuz-Komplex deutlich.“

Pressekontakt:

BMB: Bianca Klose, Mitglied des Vorstandes und Sprecherin des BMB e.V. / presse@mbr-berlin.de030 817 985 810; Heiko Klare, Sprecher des BMB e.V. / klare@bundesverband-mobile-beratung.de / 02 51 49 271 09

RIAS: Benjamin Steinitz, Geschäftsführer des Bundesverband RIAS e.V. / presse@report-antisemitism.de / 030 817 985 818

VBRG: Kai Stoltmann, Vorstandsmitglied beim VBRG e.V. / stoltmann@zebraev.de01 57 303 989 94

Pressemitteilung | 10/2019

Rechtsextremer Terroranschlag an Jom Kippur – Gesellschaftliche Zusammenhänge benennen und Betroffenen beistehen

Bundesverband Mobile Beratung, RIAS, VBRG

Berlin, 11. Oktober 2019

Die Ereignisse in Halle haben die Sorgen der jüdischen Communities in Deutschland bestätigt: Antisemitismus ist für Jüdinnen und Juden in Deutschland nicht nur eine alltagsprägende Erfahrung, sondern nach wie vor eine potentiell tödliche Bedrohung. Über fünfzig Personen mussten im Innern der Synagoge von Halle am höchsten jüdischen Feiertag stundenlang verharren, nachdem der rechtsextreme Täter versuchte, schwer bewaffnet zu ihnen vorzudringen. Der folgende mörderische Anschlag auf einen Dönerimbiss erfolgte nicht aus Zufall, sondern war rassistisch motiviert. Wir sind erschüttert über den gewaltsamen Tod zweier Menschen. Unsere Trauer und Anteilnahme gilt den Angehörigen und Freunden der Todesopfer sowie den weiteren Verletzten.

Dr. Kai Stoltmann, Mitglied im Vorstand des VBRG:

„Rechte, rassistische und antisemitische Gewalt und rechter Terror sind alltägliche Realität in Deutschland. Die Forderungen nach Schutz der Betroffenen von Rassismus, Antisemitismus und Rechtsterrorismus müssen endlich ernstgenommen werden. Es braucht mehr Solidarität und die konsequente Entwaffnung und Strafverfolgung bewaffneter Neonazi-Netzwerke, um eine weitere Eskalation zu verhindern.“

Pascal Begrich, Mitglied im Vorstand des BMB:

„Solche Attentate passieren nicht im „luftleeren Raum“. Sie werden von Tätern verübt, die sich bestätigt fühlen von einem politischen Klima, in dem sich die Grenzen des Sagbaren online wie offline immer weiter verschieben und die Feindbildbestimmung zur Normalität der politischen Auseinandersetzung geworden ist.“

Benjamin Steinitz, Geschäftsführer Bundesverband RIAS:

„Der Terroranschlag von Halle muss tiefgreifende Konsequenzen haben: diese dürfen nicht bei symbolischen Gesten stehen bleiben. Sicherheitsbehörden, Bildungseinrichtungen, Medien, Zivilgesellschaft und Politik haben die Pflicht jede Form des Antisemitismus zu erkennen, zu benennen und zu ächten. Nur so kann das Gefühl in den jüdischen Gemeinschaften ‚alleine dazustehen‘ überwunden werden.“

Das maßgebliche Tatmotiv war allem Anschein nach ein verschwörungsideologischer Antisemitismus, als Teil eines geschlossenen rechtsextremen Weltbildes. In diesem greifen Antisemitismus, Rassismus und Antifeminismus eng ineinander. Alle als bedrohlich wahrgenommenen gesellschaftlichen Entwicklungen werden dabei aber letztendlich auf einen vermeintlichen jüdischen Einfluss zurückgeführt. Rechtsextreme Ideologie mündet unweigerlich in Gewalttaten gegen die als Feindbild markierten Gruppen. Aus der ständig wiederholten Erzählung eines permanenten, endzeitlichen „Abwehrkampfes“ gegen eine angebliche „Umvolkung“ ergibt sich das Bestreben nach Bewaffnung, um an einem selbst gewählten „Tag X“ losschlagen und Vernichtungsfantasien in die Tat umsetzen zu können. Die Erzählung des „Einzeltäters“ und einer „neuen Qualität der Gewalt“ führen daher in die Irre.

Die Tat reiht sich ein in eine Liste mehrerer rechtsextremer Anschläge der vergangenen Jahre, die sich in Inszenierung und virtueller Sozialisation der männlichen, weißen Täter gleichen. Zu nennen sind etwa die Anschläge von Utøya und Oslo 2011 sowie die Anschläge auf zwei Moscheen in Christchurch im März 2019 und auf die Synagoge in Pittsburgh 2018. Die Täter bewegen sich in Netzwerken, tauschen sich über Online-Foren aus, unterstützen sich gegenseitig und ahmen einander nach. Sie profitieren von der jeweiligen Aufmerksamkeit und dem zur Verfügung gestellten Erfahrungswissen anderer Täter. Gewalt gegen Jüdinnen und Juden in Deutschland hat zudem auch nach 1945 eine jahrzehntelange traurige Tradition – so werden etwa die Morde an Shlomo Lewin und Frida Poeschke 1980 oder die Brandanschläge auf die Synagogen in Lübeck (1994) und Düsseldorf (2000) in der aktuellen Diskussion nahezu ausgeblendet.

Rechtsextreme Diskurse haben eine klare Botschaft an die Betroffenen: ihr seid nicht sicher und ihr gehört nicht dazu. Der Anschlag in Halle hat ein weiteres Mal vor Augen geführt: Antisemitismus und Rassismus töten. Es ist an der Zeit, dies ernst zu nehmen und einzustehen für eine solidarische, offene und vielfältige Gesellschaft, in der alle angstfrei leben können.

Pressekontakt:

BMB: Pascal Begrich, Mitglied des Vorstandes des BMB e.V. / pbegrich.gs@miteinander-ev.de / 0178 283 936 86; Bianca Klose, Mitglied des Vorstandes des BMB e.V. / presse@mbr-berlin.de / 030 817 985 810

RIAS: Benjamin Steinitz, Geschäftsführer des Bundesverband RIAS e.V. / presse@report-antisemitism.de / 030 817 985 818

VBRG: Dr. Kai Stoltmann, Mitglied im Vorstand des VBRG e.V. / 0157 303 989 94

Pressemitteilung | 10/2019

„Wir machen weiter – mit der Arbeit und mit dem Streiten für eine langfristige Perspektive“

Bundesverband Mobile Beratung

Dresden, 08. Oktober 2019

Die Arbeit des Bundesverbands Mobile Beratung e.V. (BMB) und des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG) wird auch im Jahr 2020 vom BMFSFJ finanziell gefördert. „Wir sind erleichtert, dass nach zähen Verhandlungen und viel zu langer unklarer Perspektive nun doch ein Kompromiss erzielt werden konnte. Allerdings bleibt die Perspektive unsicher: Die Förderung ist zunächst auf drei Jahre begrenzt und beträgt höchstens 200.000 Euro“, ordnet Bianca Klose, Vorstand des BMB, die schon am 19.9. vom BMFSFJ in einer Presseerklärung verkündete Einigung ein. Im Vergleich zur aktuellen Fördersumme wird dem Bundesverband damit faktisch ein knappes Drittel weniger Geld zur Verfügung stehen. Auch die auf drei Jahre begrenzte Laufzeit bedeutet eine Kürzung um ein gutes Drittel im Vergleich zum bisherigen fünfjährigen Förderzeitraum von 2015-2019. „Danach soll die Förderung der Dachverbände über die Bundesländer realisiert werden – was jedoch gänzlich fehlt, ist ein Finanzierungskonzept oder ein realistisches Verfahren, das den derzeitigen politischen Konstellationen auf Landesebene Rechnung trägt und unsere Weiterförderung sicherstellt“, so Klose weiter.

Kürzungen bedrohen erfolgreiche Arbeit und konkrete Unterstützung

Damit stehen aktuell erfolgreiche Vorhaben des Bundesverbands vor dem Aus, weil eine Finanzierung nicht gewährleistet ist – darunter das seit 2017 mit großem Erfolg gemeinsam mit der Dt. Hochschule der Polizei und der Bundeszentrale für politische Bildung erprobte Austauschkonzept „Zwischen Konflikt und Konsens – Polizei und Zivilgesellschaft im Dialog“. Auch die Fortführung der Auseinandersetzung mit Demokratieimpulsen im ländlichen Raum, aus der im vergangenen Jahr die bundesweit beachtete Tagung „Was blüht dem Dorf?“ und aktuell der gleichnamige Sammelband zur „Demokratieentwicklung auf dem Land“ hervorgegangen sind, steht auf dem Spiel.

Die Kürzung wird darüber hinaus große Auswirkungen auf die Arbeit der Fach-AGs im Bundesverband haben, in denen sich länderübergreifend Berater*innen zu aktuellen Herausforderungen der Beratungsarbeit vernetzen. Sie sind Impulsgeber und erarbeiten gemeinsam Publikationen, wie etwa die Handreichung „Wir holen uns unser Land und unser Volk zurück – zum Umgang mit rechtspopulistischen Parten in Parlamenten und Kommunen“. Damit wird auch eine zentrale Aufgabe und Kompetenz der Zusammenarbeit im Verband erschwert: die schnelle und länderübergreifende Analyse aktueller Phänomene und Erscheinungsformen der extremen Rechten und des Rechtspopulismus auf der Basis der Erfahrungen der Beratungsteams vor Ort.

Zivilgesellschaftliche Arbeit langfristig stärken!

Die Dachverbände der Opfer- und der Mobilen Beratung haben gemeinsam seit vielen Monaten um die nun vereinbarte Förderung gebangt und gestritten. Aktuell wird darüber hinaus aber deutlich, dass mit der von Ministerin Giffey angekündigten „Entfristung“ des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ auch eine Neuausrichtung der Förderpolitik einhergeht, die offenbar zum drohenden Ende vieler in den letzten Jahren aufgebauter Projekte und Strukturen führt – und damit wichtiger Partner*innen der Mobilen Beratungsteams im Eintreten für eine demokratische Alltagskultur vor Ort. Wir schließen uns daher den Forderungen des Bündnis Bildung für eine demokratische Gesellschaft nach einem Ausbau der Demokratieförderung an und verweisen beispielhaft für bedrohte Strukturen auf die Stellungnahme der Fachträger für geschlechterreflektierte Pädagogik. Bianca Klose fordert: „Wir brauchen eine Förderung, die unabhängig von politischen Konjunkturen die evaluierten Strukturen und das Bewährte stärkt – die Mobilen Beratungsteams und ihr Bundesverband müssen als solche zentralen Kompetenzträger endlich dauerhafte Planungssicherheit erhalten!“

Der Bundesverband Mobile Beratung wird voraussichtlich Mitte Oktober vom BMFSFJ auf der Basis der aktuellen Einigung zur Antragstellung aufgerufen und in der Folge bis Anfang November einen Antrag auf Förderung als so genanntes „Begleitprojekt“ im Bundesprogramm „Demokratie leben!“ stellen. Ein endgültiger Bescheid über die Förderung ab dem 1.1.2020 wird voraussichtlich bis Ende des Jahres 2019 vorliegen.

Pressemitteilung | 06/2019

Betroffene und Engagierte brauchen Unterstützung – Vorhandene Beratungsstrukturen fördern statt neue Anlaufstellen schaffen

Bundesverband Mobile Beratung

Dresden, 27. Juni 2019

In Berlin hat heute der Bundesinnenminister den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2018 vorgestellt. Seehofer wertet den Mord an Walter Lübcke in diesem Zusammenhang als „Alarmsignal für die demokratische Grundordnung“. Immer wieder ist von einer „neuen Qualität der Gewalt“ zu lesen. Betroffene rechter Gewalt, Geflüchtete, Menschen die auf „Feindeslisten“ stehen und häufig erst viel zu spät davon in Kenntnis gesetzt werden sowie engagierte Akteure aus Zivilgesellschaft, Kommunalpolitik und -verwaltung sehen sich aber bereits seit vielen Jahren solchen Gefahren ausgesetzt. Die Morde des NSU und nicht zuletzt die über 190 Todesopfer rechter Gewalt seit 1990 sprechen eine deutliche Sprache. Auch die erneuten Drohungen gegen die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker und den Altenaer Bürgermeister Andreas Hollstein oder die Serie von Angriffen auf Engagierte in Berlin-Neukölln machen die Notwendigkeit zum Handeln immer wieder deutlich.

Die über 40 im Bundesverband Mobile Beratung zusammengeschlossenen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus fordern, die Unterstützung von Zivilgesellschaft, Kommunalpolitik und -verwaltung stärker in den Fokus der Debatte zu rücken. Rechte Bedrohungen gehören für Menschen, die sich vor Ort für eine demokratische Kultur einsetzen, schon lange zum Alltag und müssen endlich ernst genommen werden. „Dafür braucht es keine Forderungen nach zentralen Beratungsstellen – denn die gibt es seit 20 Jahren. Diese bestehenden Teams und ihre Dachverbände müssen weiter und umfassender unterstützt werden!“, so Heiko Klare, Sprecher des Bundesverbands Mobile Beratung.

Sicherheitsdebatte greift zu kurz – Engagierte und Betroffene brauchen Unterstützung und Beratung

„Aktuell wird vor allem über sicherheitspolitische Aspekte debattiert“, so Bianca Klose, Sprecherin der Bundesverbands Mobile Beratung: „Das allein greift aber zu kurz. Wenn wir weiterhin Menschen ermutigen wollen, angstfrei Position zu beziehen, in ihrem Umfeld öffentlich zu widersprechen und sich für Demokratie einzusetzen, dann brauchen diese Menschen professionellen Beistand.“

Seit 20 Jahren unterstützen die Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus und für demokratische Kultur Menschen und Organisationen, die sich für ein friedliches Zusammenleben einsetzen und die gegen extrem rechte Akteure aktiv sind. Immer häufiger berichten Beratungsnehmer*innen den Teams von Drohungen und Angriffen, vermehrt nutzen auch Betroffene von sogenannten Feindeslisten die Beratung. Die Strafverfolgung ist dann ein wichtiger Aspekt, aber bei weitem nicht der Einzige. Zumal auch eine Auseinandersetzung mit rechten Strukturen in den Sicherheitsbehörden selbst dringend geboten scheint.

Professionelle Beratungsstrukturen ausbauen statt neue Angebote schaffen

Die Mobilen Beratungsteams (MBTs) bieten die dringend benötigte Hilfe zur Selbsthilfe im Alltag an und bauen dabei auf langjährige Erfahrung und gemeinsame professionelle Arbeitsgrundsätze auf. Mit Hilfe des Bundesverbands Mobile Beratung, der 2014 gegründeten fachlichen Vernetzung der MBTs in den Ländern, können aktuelle Herausforderungen länderübergreifend analysiert und die Herausforderungen und Bedarfe der Zivilgesellschaft schnell erkannt werden. Gemeinsam mit den spezialisierten Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt, die im Dachverband VBRG organisiert sind, existieren also genau die Beratungsangebote schon, die aktuell von Bundespolitiker*innen gefordert werden.

Neue Förderschwerpunkte? Bundesverband als zentrale Anlaufstelle vor dem Aus

„Es ist in diesem Zusammenhang unverständlich, warum hier nicht die Empfehlungen der NSU-Untersuchungsausschüsse umgesetzt werden und existierende Beratungsstrukturen und Dachverbände besser ausgestattet werden“, so Bianca Klose. Stattdessen ist in der Neuauflage des im BMFSFJ angesiedelten Programms „Demokratie leben!“ die Finanzierung des Bundesverbands Mobile Beratung und des Dachverbands der Betroffenenberatung über das Jahresende hinaus nicht gesichert. „Wenn die Dachverbände als fachliche Impulsgeber und Vernetzungsmöglichkeit der MBTS und OBTs wegbrechen, leidet darunter vor allem die dringend notwendige Unterstützung der Engagierten vor Ort“, befürchtet Heiko Klare.

Pressemitteilung | 05/2019

Starke Beratung braucht starke Verbände – Finanzierung für 2020 nicht gesichert

Bundesverband Mobile Beratung

Dresden, 25. Mai 2019

Der Bundesverband Mobile Beratung wurde Ende 2014 gegründet und konnte in den knapp fünf Jahren seines bisherigen Bestehens viel bewegen. Aktuell sind knapp 150 Berater*innen des noch jungen Berufsfelds der Mobile Beratung Teil der BAG Mobile Beratung, die sich im Bundesverband organisiert. Sie stehen für 48 Teams/Kontaktstellen und 34 Träger in allen 16 Bundesländern.

Die Arbeit des BMB und der beiden anderen Dachverbände VBRG und BAG AzE steht allerdings vor dem Aus. Bisher gibt es keine Perspektive für eine Antragstellung in der zweiten Förderperiode des Programms „Demokratie leben!“. Dieser Fehler in der Programmkonstruktion muss korrigiert werden, um weiterhin mit starken Verbänden eine starke Beratungsarbeit vor Ort abzusichern – durch Austausch, Weiterentwicklung und Vernetzung.

Erfolgreicher Strukturaufbau

Vor allem durch die finanzielle Projektförderung des BMFSFJ im Programm „Demokratie leben!“ zur „Strukturentwicklung zum bundeszentralen Träger“ konnte dieser beispielhafte Aufbau fachlicher und länderübergreifender Vernetzung gelingen. Heute unterstützt der BMB Teams und Berater*innen durch Qualifizierungsmaßnahmen, durch Möglichkeiten für fachliche Reflexion und Austausch, durch Begleitung beim Aus- und Aufbau von Beratungsteams sowie durch eigene Ressourcen zur Professionalisierung des Arbeitsfeldes. In einem mehrjährigen und partizipativen Prozess haben sich die Berater*innen auf gemeinsame Linien verständigt, die im letzten Jahr als „Inhaltliche und methodische Grundsätze Mobiler Beratung gegen Rechtsextremismus“ veröffentlicht wurden. Die Arbeit der Dachverbände wird wissenschaftlich begleitet und evaluiert, die Ergebnisse sind ausgesprochen positiv. Der BMB ist bundesweit gut vernetzt mit Fachverbänden der Jugendhilfe, der Sozialen Arbeit, der (pädagogischen) Beratung, mit Institutionen und Verbänden der politischen Bildung, mit gewerkschaftlichen Einrichtungen, politischen Stiftungen und mit den Wohlfahrtsverbänden.

Fortführung und Aufwuchs wird begrüßt

Wir begrüßen die Fortführung des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ und die durch Ministerin Giffey mehrfach betonte Fokussierung auf Betroffenen-, Ausstiegs- und Mobile Beratung in den Ländern. Hier wird tatsächlich ab 2020 mehr Geld zur Verfügung stehen, um vor Ort Engagierte und Betroffene unterstützen zu können. Umso irritierter sind wir über die aktuellen Signale aus dem BMFSFJ – offenbar steht die Förderung der Dachverbände VBRG, BAG AzE und des BMB vor dem Aus. Die Verbände sind in den letzten Jahren zu einem wichtigen Akteur für die Beratungsteams vor Ort geworden: sie sind zuverlässiger Partner, fachliche Unterstützung, stellen die Infrastruktur für länderübergreifenden Austausch zur Verfügung und sind Impulsgeber für die Arbeit gegen Rechtsextremismus und für eine demokratische Kultur. Damit garantieren sie professionelle Standards und Grundsätze der Beratungsarbeit, fördern ihre Weiterentwicklung und stärken die Beratungsteams – und damit auch diejenigen, an die sich die Beratung richtet.

Keine Perspektive trotz Gesprächen

Trotz vielfacher Gespräche zwischen dem BMFSFJ und den Dachverbänden gibt es bisher kein Angebot des Ministeriums, wie die Arbeit der Verbände über eine entsprechende Projektförderung ab dem 1.1.2020 abgesichert werden kann. In den bisherigen Planungen des BMFSFJ für die neue Programmphase von „Demokratie leben!“ ist an keiner Stelle eine aussichtsreiche Antragstellung für die Dachverbände vorgesehen. Vielmehr soll die Verantwortung für die Finanzierung an die Länder weitergegeben werden. Aus Sicht der Dachverbände liegt die Verantwortung für die Finanzierung allerdings eindeutig beim Bund – zumal mit der aktuell angedachten Förderung die Dachverbände zu Konkurrenten ihrer eigenen Mitglieder um Fördermittel würden.

Dass gerade in der aktuellen gesellschaftspolitischen Lage die erfolgreich aufgebauten Angebote der Dachverbände vor dem Aus stehen, ist kaum zu begreifen. Vor dem Hintergrund steigender rechter, rassistischer und antisemitischer Straftaten und einer verunsicherten und herausgeforderten Zivilgesellschaft steigen auch die Beratungsanfragen und der Unterstützungsbedarf von Bürgerbündnissen, Verwaltungen, Verbänden, kirchlichen Einrichtungen, Schulen und Bildungseinrichtungen und vielen anderen zivilgesellschaftlichen Kräften. Daher brauchen die Kolleg*innen in den Beratungsteams Unterstützung, länderübergreifende Zusammenarbeit und eine gemeinsame Stimme.

Starke Beratung braucht starke Verbände

Starke Beratung vor Ort braucht starke Verbände – wir bitten daher Ministerin Giffey, diesen Webfehler in der Neustrukturierung des Bundesprogramms zu korrigieren und die Arbeit der Dachverbände abzusichern. Der Bundesverband Mobile Beratung arbeitet im Namen der durch ihn vertretenen Beratungsteams und Berater*innen konstruktiv an Lösungen mit und hofft weiterhin auf einen gemeinsamen Weg im Sinne der Arbeit für Demokratie und Menschenrechte.

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